Sonntag, 16. November 2014

Liebe Leute,

fast drei Monate bin ich nun schon in Argentinien und inzwischen ist viel passiert. Erst jetzt schaff ich es meine Schreibfaulheit zu überwinden, aber ich gelobe von nun an Besserung und werde versuchen etwas öfter hier auf diesem Blog von mir hören zu lassen. ;)

Aber beginnen wir erst einmal von Anfang an:



Wie alles begann

Schon seit Jahren hatte ich davon gesprochen/geträumt nach der Matura ein Auslandsjahr zu machen. Nach meinem Ferialjob im Altenheim Gaspoltshofen im Sommer 2012 stand dann fest, dass es ein freiwillig-soziales Jahr werden sollte. Aber wo, wie, was und mit welcher Oragnisation stand noch in den Sternen. Durch meine Tante, eine Steyler Missionsschwester, bin ich dann auf MaZ- "Missionar auf Zeit" gestoßen. Als ich mich dann Anfang Februar 2014 zum Orientierungsseminar in Vorarlberg auf den Weg gemacht habe, war ich mir alles andere als sicher ob MaZ das richtige für mich ist und wollte mir nur mal alles anschauen.
Aber mehr als ein halbes Jahr und 5 Seminare später, als ich mich am 26. August am Flughafen Schwechat von meiner Familie verabschiedete, stand es dann endgültig fest: die nächsten 11 Monate würde ich in Argentinien verbringen.

MaZ- Missionar auf Zeit

Der Freiwilligendienst wird von verschieden Ordensgemeinschaften angeboten und ermöglicht es jungen Erwachsenen zw. 18 und 30 Jahren ein Jahr lang in einer Ordenskommunität in Lateinamerika, Afrika, Asien oder Europa mitzuleben.
MaZ basiert auf 3 Säulen:
MITLEBEN in einer Kommunität oder in manchen Fällen auch in einer Gastfamilie oder Freiwilligenwg;
MITARBEITEN mit den Schwestern oder Brüdern vor Ort oder in anderen Projekten in der Umgebung;
MITBETEN- auch wir nehmen größtenteils an den Gebetszeiten der Schwestern teil;


Die ersten Wochen

Bevor all dies aber beginnen konnte hieß es erstmal Castellaño (=lateinam. Spanisch) lernen. Und so verbrachte ich die ersten 4 Wochen in Buenos Aires. Eine der 3 Kommunitäten der Steyler Missionsschwestern in Buenos Aires liegt etwas außerhalb vom Zentrum und ist angebunden an die Schule und den Kindergarten mit ca. 1400 Kindern, die die Schwestern leiten. Drei Wochen lang fuhr ich täglich eine Stunde lang in den oft überfüllten Bussen ins Zentrum um dort die Sprachschule zu besuchen. Juan, ein waschechter Porteño (so nennen sich die Menschen aus Bs. As.), ist nicht nur ein sehr geduldiger Lehrer, sondern hat uns auch den ein oder anderen Tipp zur Stadtbesichtigung gegeben und viel von Land und Leuten hier erzählt. An den Wochenende und in meiner Freizeit hab ich mir, wenn ich nicht gerade mit Grammatik und Vokabeln lernen beschäftig war, etwas von der Stadt angeschaut. Buenos Aires ist mit seinen knapp 3 Mio. Bewohnern (im Großraum Bs. As. sogar 14 Mio.) eine sehr lebendige und vielseitige Stadt. Von bunten Stadtvierteln mit tollen Straßenmärkten, unzähligen Museen, Kirchen und der Kathedrale über den Hafen mit dem anschließenden Naturschutzgebiet gibt es wahnsinnig viel zu erkunden und so fiel mir immer etwas neues ein, um mir die Zeit zu vertreiben.


      Gruppenfoto mit den Schwestern aus Buenos Aires

Mar del Plata

Der Sprache „mas o menos“ (=mehr oder weniger, wie man hier so oft sagt) mächtig ging es dann endlich nach Mar del Plata (=Silbermeer). Die Stadt mit ca. 700.00 Einwohnern liegt, wie der Name schon vermuten lässt, am Meer im Südosten Argentiniens und ist im Sommer ein beliebtes Urlaubsziel.
Die Kommunität hier besteht aus zwei Schwestern: der Philippinerin Sr. Mary-Stephanie und Sr. Helena aus Polen. Für das kommende Jahr gehören auch Antonia, meine Mit-MaZlerin aus Deutschland, und ich dazu. Gemeinsam leben wir am Stadtrand Mar del Platas in einem kleinen Haus.Sr. Helena ist eine der drei SeelsorgerInnen, die für die Pastoral in den drei Gefängnissen in Mar del Plata angestellt sind, und leitet auch die Gruppe der ca. 20 ehrenamtlichen Pastoralmitgliedern. Dreimal wöchentlich begleiten auch Antonia und ich sie bei ihrer Arbeit: Am Montagnachmittag fahren wir ins Frauengefängnis um dort mit Padre Daniel und den Frauen gemeinsam im Gruppenraum einen Gottesdienst zu feiern. Anschließend sitzen wir noch bei Mate, dem Nationalgetränk Argentiniens, zusammen um uns wortwörtlich über Gott und die Welt auszutauschen. 
Den Dienstagvormittag und Donnerstagnachmittag verbringen wir dann im Kleineren der beiden Männergefängnisse, ausgelegt für bis zu 400 Männer. Dort besuchen wir die „Pavillones“, bestehend aus einem Gruppenraum und 11 Zellen für jeweils 4 Männer, um Messen zu feiern, Bibelkurse zu geben oder einfach nur zu plaudern. Die Besuche der Pastoral sind für die Männer, die größtenteils zw. 20 und 30 Jahren sind, eine willkommene und für sie sehr wichtige Abwechslung vom eintönigen Gefängnisalltag.
Meine anfänglichen Bedenken kein Gesprächsthema zu finden oder noch schlimmer in unangenehmen Schweigesituationen fest zu sitzen, erwiesen sich als vollkommen unbegründet. Schon bei meinem ersten Besuch wurde ich von den neugierigen Jungs ausgefragt wie es denn in Europa so ist und warum ich überhaupt hier bin. Mit meinem spärlichen Castellano hab ich dann mit Händen und Füßen versucht ein bisschen zu erzählen. Aber von Woche zu Woche wurde ich sicherer im Sprachgebrauch und bald hatten Antonia und ich nicht mehr das Gefühl ins Gefängnis zu gehen, sondern Freunde und Bekannte zu Hause zu besuchen. Oft müssen wir uns wieder klar machen, wo uns unsere Besuche hinführen, denn im Gegensatz zu den Frauen und Männern können wir die Gefängnisse, die in Europa in diesem Zustand wohl unvorstellbar wären, nach ein paar Stunden wieder verlassen. Für unsere Arbeit erhalten wir zwar kein Geld, dafür aber unbezahlbar viel Freude, Dankbarkeit und Wertschätzung für unsrer Besuche/Zeit. Und so ist es jedes Mal aufs Neue schön zu erleben, was es bewirken kann, sich einfach „nur“ Zeit zu nehmen.


    Besuche im Männergefängnis

Montags helfen wir auch bei der „Noche de Caridad“ mit, einem Projekt der Pfarren Mar del Platas, bei dem jeden Wochentag eine andere Pfarre warme Mahlzeiten kocht und vorbereitet. Anschließend machen sich ca. fünf Leute auf 4 verschiedene Routen auf, um eine Portion warme Essen, einen Becher Heißgetränk und Brot zu verteilen. Dabei besuchen wir bedürftige Familien in ihren Häusern und obdachlose Menschen direkt bei ihren Schlafplätzen oder treffen sie bei den Sammelstellen auf öffentlichen Plätzen. Es geht aber nicht nur darum das Essen zu verteilen, oft ist es auch viel wichtiger sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen für ein gemeinsames Gebet oder ein bisschen zu plauschen.
Jeden Freitagnachmittag fahren wir mit Rudolfo aus dem Pastoralteam in ein Randgebiet Mar del Platas um dort Lebensmittel mit abgelaufenem Haldbarkeitsdatum und Nahrungsmittelspenden von Supermärkten an die Familien zu verteilen.
Am Samstagvormittag betreuen Antonia und ich in einem der ärmeren Viertel eine Kindergruppe, die „Infancias Misioneras“ (vergleichbar mit der Jungschar). Gemeinsam wird gebastelt, gebetet, gesungen und gespielt, bevor wir dann gemeinsam die Wandermaria aus einem Haus abholen und für die kommende Woche in ein anderes bringen.
Abends nach der Kinder- und Jugendmesse treffen wir uns dann mit der Jugendgruppe der Pfarre Santa Rosa. Beim gemeinsamen Matetrinken behandeln wir jedes Mal ein anders Thema das die Welt und vorallem uns Jugendliche bewegt oder quatschen und blödeln einfach nur herum.
Aber auch, wenn wir eigentlich einen geregelten Tagesablauf haben, ist doch keine Woche wie die andere: wir sind zum Beispiel bei Veranstaltungen wie der Schönstatt-Jubiläumsfeier in der hiesigen Kapelle und der Feier der heiligen Theresa bei den Cameliterinnen dabei, haben einmal im Monat das Treffen der Gefängnispastoral oder feiern mit Freunden und Bekannten Geburtstag.

   Neben mir Antonia und Sr. Helena, vorne rechts Sr. Mary-Stephanie, daneben links Maky und seine Familie bei seiner Geburtstagsfeier

So das war jetzt ein erster Einblick in unserer Leben hier und ich hoffe ich könnt euch jetzt ein bisschen besser vorstellen wie es mir am anderen Ende der Welt so geht.

Liebe Grüße und bis bald (versprochen)
eure Mirijam



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